Gastbeitrag von Günter Flierl und Inken Schneider für Bridge imp
So eine nagelneue, funkelnde Unternehmensstrategie ist schon was Feines. Ob Digitalisierung oder geschärftes Produktportfolio: Alle wichtigen Faktoren wurden bei der Neuausrichtung des Unternehmens berücksichtigt. Moment. Wirklich alle? Häufig wird eine entscheidende Komponente gar nicht oder nicht stark genug berücksichtigt: das Personal.
Anforderungen versus Eignung
Jedes Unternehmen muss sich den Entwicklungen des Marktes stellen – jetzt ganz besonders aufgrund der globalen Veränderungen durch Corona. Es gilt ganz grundsätzlich, digitaler zu werden, wie etwa bei automatisierten Einkaufsprozessen P2P (purchase to pay), oder auch internationaler (z.B. beim Reporting und bei den Jahresabschlüssen). Daneben wird auch jedes Unternehmen bestrebt sein, agiler und schneller zu werden.
Die altgediente Mannschaft kann da häufig nicht mithalten, will es in manchen Fällen womöglich auch gar nicht. Jahrelang ohne Förderung und unter Führung von wechselnden Vorgesetzen sind die Teams irgendwann im kreativen Stillstand gelandet. Die Schere zwischen Anforderung und Eignung geht somit immer weiter auseinander. Das kann katastrophale Folgen für die gesamte Wertschöpfungskette haben. In unseren bisherigen Stationen haben wir das schon in fast allen Bereichen erlebt: Egal ob im Einkauf, Personal, Finanzen etc. Kritisch wird die Lage, wenn Key Player des Unternehmens (meist stressbedingt) ausfallen oder kündigen. In diesen Situationen droht der Kollaps eines Bereichs, häufig mit fundamentalen Auswirkungen auf das gesamte Unternehmen.
Erfahrungen aus der Praxis
Wir möchten das anhand eines konkreten Beispiels verdeutlichen: Ein Private Equity-geführtes Unternehmen mit mehreren Landesgesellschaften soll im nächsten Entwicklungsschritt an die Börse gebracht werden. Dieser Schritt erfordert eine gut aufgestellte Finanzabteilung. Nicht nur für das Großprojekt Börsengang an sich, sondern auch für die daraus resultierenden Reporting-Vorschriften. In der deutschen Landesgesellschaft hat die Finanzabteilung eine angemessene Personalstärke für den bisherigen Umsatz.
Bei genauer Betrachtung besteht sie aber fast ausschließlich aus Mitarbeitern der Buchhaltung. Projektarbeit wird nur vom Abteilungsleiter, dem Treasury Manager und dem Junior Controller geleistet. Hier wurde bei den Personalentscheidungen der vergangenen Jahre nie auf das Mitarbeiterpotential geachtet, nur auf gut bezahlbare Gehälter. Das rächt sich nun: auf die Schnelle sind kaum ausreichend qualifizierte und entsprechend erfahrene Finance-Mitarbeiter zu finden. Der Börsengang und das Tagesgeschäft mit deutlich erhöhten Anforderungen stehen im Risiko.
Problemfall KMU
Diese Diskrepanz zwischen Unternehmensstrategie und unausgereifter Personalstrategie kommt aus unserer Erfahrung betrachtet sehr häufig vor. In diesen Situationen fragen wir uns, warum die Strategieumsetzung das Unternehmen so überraschend zu treffen scheint, und nicht mit der langfristigen Personalplanung und Personalentwicklung abgestimmt ist? Wird zwischen Geschäftsleitung und Personalleitung zu wenig kommuniziert? Das ist sicher ein Teil des Problems: es wird zu wenig über strategische Themen gesprochen, sondern vorrangig über die aktuellen Vakanzen und kurzfristigen Prioritäten. Wird der Personalleitung keine strategische Personalplanung abgefordert? Hier liegt des Pudels Kern! Tatsächlich haben meist nur Konzerne eine eigens ausformulierte Personalstrategie. Bei KMU sucht man danach meist vergebens.
Ein Lösungsansatz
Wie aber vernetzt man Unternehmensstrategie und strategische Personalplanung? Der langfristige und nachhaltige Erfolg kann sich nicht einstellen, wenn beide Strategien nicht Hand in Hand gehen. Im Konzernumfeld ist häufig genug Kapital vorhanden, um diese Schwäche zu kompensieren. KMU verfügen dagegen über begrenztere Mittel. Sie haben allerdings auch nur selten das Know-how, wie man eine strategische Personalplanung angeht, weil der knapp besetzte HR-Bereich keine Spezialisierung auf dieses Thema zulässt. Dazu kommt oft noch die Überlastung aus dem operativen Geschäft, die Personalmanagern gar keine Luft für strategische Aufgaben und Planungsansätze lässt.
Genau hier können Sie sich von uns unterstützen lassen, mittels einer Strategie-Harmonisierung eine Lösung für Ihr Unternehmen zu schaffen.
Was gehört alles zu einer strategischen Personalplanung?
- Das Ableiten des Personalbedarfs der nächsten Jahre aus der Unternehmensstrategie zusammen mit allen Fachbereichen. Dazu gehört auch das Erörtern von Zukunfts-Szenarien – wie könnten sich Wirtschafts- und Arbeitsmarkttrends entwickeln und inwieweit müssen sie in der Personalstrategie berücksichtigt werden? Das Ergebnis umfasst zum einen konkrete Headcount-Zahlen für die einzelnen Bereiche und Jobfamilien (also Mitarbeitergruppen mit ähnlichen Aufgaben). Zum anderen entsteht Klarheit über Schlüsselpositionen und Kernkompetenzen, die perspektivisch im Unternehmen benötigt werden.
- Das Erstellen eines Talent-Portfolios der aktuellen Mitarbeiter, das vorhandene und fehlende Kompetenzen sichtbar macht. Zudem werden Entwicklungspotenziale sowie Alters- und Fluktuationsrisiken erfasst. Hieraus entwickelt sich ein möglicher Besetzungs- und Nachfolgeplan. Unternehmen profitieren von diesem Schritt durch die vollständige Transparenz über Stärken und Schwachstellen ihres Personals.
- Das Entwickeln und Bewerten von Handlungsalternativen: Wie können Mitarbeiter frühzeitig qualifiziert oder auch neu rekrutiert werden, um den Personalbedarf zu decken und auf die zukünftigen Veränderungen eingestellt zu sein?
- Am Ende steht ein detaillierter Aktionsplan, wie das Unternehmen die zukünftig benötigten Kompetenzen vorausschauend erwirbt.
Anpassungsbereit bleiben
Eine gewisse Flexibilität sollte auch im strategischen Planungsprozess immer erhalten bleiben, denn in der schnelllebigen Welt von heute kann es durchaus sein, dass eine 5-Jahres-Strategie bereits nach einem Jahr angepasst werden muss – das zeigt uns die Corona-Krise. Daher empfehlen wir keine Einmal-Aktion, sondern eine rollierende Jahresplanung inklusive jährlichem Review.
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Inken Schneider hat 20 Jahre Führungserfahrung im Personalwesen. In den Branchen Automotive, Maschinen- und Anlagenbau, Baustoffe und Finanzdienstleistungen hat Sie vom Mittelstand bis zum globalen Konzern Unternehmen im HR-Bereich begleitet. Die examinierte Juristin ist als Beraterin, Trainerin und Dozentin für Betriebliche Personalarbeit und Personalführung tätig (UAS Frankfurt, DHBW Heilbronn).
Günter Flierl hat seine Wurzeln im Bereich Finance / Controlling und hielt mehrere CFO-Positionen inne. Mittlerweile blickt der Finanzstratege auf über 12 Jahre Erfahrung als Interim Manager zurück. Seine Spezialität ist das Abdecken der gesamten Wertschöpfungskette vom Einkauf bis zum Vertrieb auf Grundlage einer fundierten Zahlenanalyse.
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